Was hören Labels für Musik, wenn sie selber keine Platten machen? Wir haben nachgefragt.
Ab diesem Wochenende findet zum zweiten Mal der Independent Label Market in Deutschland statt. Hier kann man im basarigen Ambiente seine Lieblingsplatten bei den Labels direkt checken und in der Liste der teilnehmenden Imprints sollte eigentlich jeder Sounddigger etwas Adäquates für seinen Vinylfetisch finden. Auch gut: Man kann endlich mal mit den Leuten quatschen, die hinter den Labels stecken. Anmahnen, dass das nächste Moderat-Album doch bitte auf 10-fach-10“ kommen soll. Oder auch fragen, ob man nicht Brandt Brauer Frick mit Ensemble für den nächsten Kegelabend buchen kann. Zur Not tun es auch Kaffee und Joint mit einem Label-Boss. Der ILM in Berlin findet am 20. September in der Teppichfabrik statt. Am 26. September dann auch erstmalig in der Affenfaust Galerie in Hamburg. Wir haben zwei teilnehmende Labels gefragt, was ihre fünf persönlichen Allzeit-Favoriten sind. Keine leichte Aufgabe. Denn wer als Label für Qualität steht, darf in seiner Top-5-Liste natürlich nicht mit irgendetwas um die Ecke kommen. Das macht es noch viel spannender, was City Slang (Caribou, The Notwist, Hauschka, CocoRosie uvm.) und Erased Tapes (Ólafur Arnalds, Nils Frahm, Peter Broderick uvm.) uns als Lieblinge präsentieren. Und vorneweg: Es gibt einige Überraschungen. Eine Bedingung gab es allerdings: Nur ein Album der Top 5 darf vom eigenen Label sein.
#Team »City Slang«
Hallo, wir sind das Team von City Slang. City Slang wurde 1990 von Christof Ellinghaus gegründet. Heute gehören mit dazu: Severin Most, Ingrid Huhn, Tim Pagel, Wido Wendker und Caoimhe McAlister. Unser Pariser Büro betreut Aymeric Join-Dieterle. Simon Morley guckt für uns in London nach dem Rechten. Das sind unsere heiß diskutierten Top 5. Go listen to our records!
#Robert Raths von »Erased Tapes«
Hallo liebe Leser und Musikfreunde. Mein Name ist Robert Raths, bin gebürtiger Rheinländer und seit elf Jahren Wahl-Londoner. Von dort betreibe ich seit 2007 ein kleines Musiklabel namens Erased Tapes. Vielleicht habt ihr sogar schonmal was davon gehört, ohne zu wissen was es eigentlich ist. Und das ist völlig okay. Ich weiß das nämlich selber nicht so richtig.
##GZA – Liquid Swords
Die beste Platte aus dem Wu-Tang-Kosmos überhaupt, selbst wenn man die „offiziellen“ Veröffentlichungen mit einbezieht. Die Produktion vor allem aber die Lyrics dieses Albums sind unerreicht. „Liquid Swords“ ist nicht nur ein HipHop-Meisterwerk, sondern auch der Popkultur im Allgemeinen, wie dieses eine Buch, das man einfach immer und immer wieder lesen will und muss. In wenigen Tagen, am 7. November, feiert die Platte 20-jähriges Jubiläum.
##Miles Davis – Bitches Brew
Als ich das erste Mal die Bitches gehört habe, wurde mir bewusst, dass es so viel mehr zu erkunden gibt. Miles hat den Jazz auseinandergenommen, so wie Hendrix auf der Gitarre, nicht nur einen neuen Sound, sondern eine komplett neue Richtung definiert. Und niemand hätte die Seele der Platte besser visualisieren können als Mati Klarwein mit seinem magischen Cover-Design.
##Neil Young – On The Beach
Das perfekte Album, voller musikalischer Kraft und gewaltigen Texten. In einem Interview sagte Young einmal, „On the Beach“ sei wahrscheinlich eine der depressivsten Platten, die er jemals gemacht hätte. Vielleicht stimmt das, dafür finden sich auf dem Album aber auch einige seiner schönsten Lieder. So geht der perfekte Samstag los, natürlich auf Vinyl. Sobald der erste Song – „Walk On“ – beginnt, wird einem warm ums Herz. Dieses Gefühl zieht sich durch das gesamte Album, bis zum letzten Akkord. Es gibt nichts Besseres. Ein absoluter Klassiker.
##Arvo Pärt – Tabula Rasa
Ein Journalist hat uns mal als Kinder von Arvo Pärt bezeichnet. Nun ja, es wäre definitiv ein Traum einmal Herrn Pärt zu treffen und, mit Manfred Eichers Einverständnis einen Kaffeekranz zu veranstalten, bei dem Arvo einen Klaviersatz für Nils (Frahm) oder Lubomyr (Melnyk) mit einem Streicher-Part für Peter (Broderick) oder A Winged Victory For The Sullen schreibt. „Tabula Rasa“ ist eines seiner großartigsten Werke. Noch vor ein paar Tagen habe ich „Fratres“ – gespielt vom London Contemporary Orchestra mit Jonny Greenwood – als Teil seines Scores zum Film „There Will Be Blood“ live erleben dürfen. Ich habe gehört, dass er irgendwo in/um Berlin herum wohnen soll. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man sich mal beim Joggen oder Milch-Kaufen begegnet.
##The Jesus Lizard – Goat
Die ultimative Platte. Punkt.
##Radiohead – Kid A
Was hier passiert, ist nicht von dieser Zeit und nicht von dieser Welt. Was auch immer Thom, Jonny, Nigel und Co. widerfahren ist zwischen „OK Computer“ und diesen Aufnahmen: Es hat eine wahrhaft außerirdische Atmosphäre geschaffen. Egal, was du zuvor auf dem Plattenteller liegen hattest, sobald die ersten Töne des Electric Pianos pulsieren, ist alles am rechten Fleck.
##Funkadelic – Maggot Brain
Natürlich steckt hier jede Menge Funk drin, aber nicht so, wie man es erwartet oder gewohnt ist. Das Album ist eine komplett freakige „Prog-funk-psych-soul“-Bombe. Und eine der besten Platten, die jemals aufgenommen wurde.
##Kyuss – Blues For The Red Sun
Nicht zuletzt, um diese Liste ein wenig aufzulockern, und weil sich meine fünf Alltime-Favourites in dem Moment ändern, in dem ich sie versuche niederzuschreiben, muss ich an dieser Stelle meine Liebe zu Metal, Post-Punk und Stoner Rock bekennen. Sicherlich gibt es haufenweise Aufnahmen von Pionieren wie Ligeti, Moondog, Kraftwerk, Richard D. James und Konsorten, ohne die ich nicht mehr leben kann. Aber wenn ich mal so richtig abschalten will, höre ich nicht Debussy oder Cage, sondern Pioniere wie Fugazi oder Kyuss! Hier geht es um nichts anderes als pure Energie und Kraft auf Saiten, so tief gestimmt, dass man sie kaum hören, aber um so mehr fühlen kann.
##Cortney Tidwell – Boys
Eine der am meist unterschätztesten Veröffentlichungen in unserem Katalog überhaupt. Idiosynkratisch, fordernd, dabei wirklich süß und gleichzeitig sehr einladend. „Boys“ ist ein Soundtrack, der in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen perfekt passt. Dan Snaith aka Caribou hat das sofort kapiert. Auf einem seiner ersten Daphni-Releases remixt er den Titel-Song.
##A Winged Victory For The Sullen – s/t
Jedes der Alben auf meinem eigenen kleinen Label ist gleichermaßen wichtig für mich. Sie alle haben ihre ganz einzige Magie und sind nicht ohne Grund Teil der Geschichte, die ich meist unterbewusst zu erzählen versuche. Aber neulich habe ich dieses Album auf einem kleinen Trip durch die Toskana wiederentdeckt – nicht weit davon entfernt, wo es damals von Dustin (O’Halloran) und Adam (Bryanbaum Wiltzie) fertig gestellt wurde. Und obwohl ich gedacht habe es in und auswendig zu kennen, hat die Musik plötzlich eine ganz andere Farbe bekommen. So wie man Kyuss am besten in der Wüste hört, entfaltet das Album erst dort seine wahren Kräfte, wo man noch alle Sterne am Himmel sehen kann. Viel Spaß.