Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit The National Jazz Trio Of Scotland, Rival Consoles und μ-ZIQ.
The National Jazz Trio Of Scotland – Standards Vol. 4
Ji-Hun: Der schottische Musiker Bill Wells ist ja schon so etwas wie eine Legende. Viele kennen seine frühen Arbeiten aus den 90ern mit dem Bill Wells Octet, später dem Bill Wells Trio. Eines seiner aktuellen Projekte ist das National Jazz Trio of Scotland. Ein Doppel-Bluff, spielt das National Jazz Trio Of Scotland doch weder Jazz, noch ist es ein Trio. „Standards Vol. IV“ ist nun das vierte Album, das auf dem wunderbaren Label Karaoke Kalk erscheint und es ist noch immer dieser intime Kammerpop, der wenn besonders gut, dann doch aus Schottland stammt. Man denke nur an Belle and Sebastian, Isobel Campbell/Gentle Waves. Das National Jazz Trio Of Scotland geht durchaus in die Richtung, ist allerdings intellektueller, eklektischer und auch witzig-abgebrühter. Angenehm auch das Crooning von Kate Sudgen. Elegante Popmusik, wie sie eben nur aus dem verregneten Schottland stammen kann. Das macht man da schon irgendwie besonders.
Rival Consoles – Persona
Benedikt: Auf seinem neuen Studioalbum beweist Ryan Lee West aka Rivales Consoles einmal mehr, dass man Kick und Synth nicht neu erfinden muss, um ganz wunderbare, elektronische Musik zu produzieren – zumindest, wenn man sein Handwerk so versteht wie er. Mit Textur konnte der Brite schon immer gut umgehen, aber „Persona“ legt noch eine Schüppe Intensität drauf. Mehr Sättigung und Tiefe geht kaum, Rival Consoles erzeugt eine intime Emotionalität, die sich der Temperaturbestimmung entzieht. Ist dieser Sound kalt oder warm? Unbestimmbar, innerlich zerreißend, was in der Konsequenz dafür sorgt, dass man dieses Album trotz seiner offensichtlichen Tanzbarkeit am liebsten ganz für sich allein genießt. Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, wann eine Technoplatte bei mir das letzte Mal diese Wirkung entfalten konnte. Vielleicht war es Jon Hopkins „Immunity“, das – wie ich gerade erschreckend feststelle – schon fünf Jahre auf dem Buckel hat. Die ähnliche Ästhetik legt den Vergleich zumindest nahe. Und auch, weil die Platte – genau wie „Immunity“ damals – in den leiseren Tönen auf der zweiten Hälfte des Albums fast auseinanderbrechen zu droht, sich aber dann doch wieder fängt und es schafft die Risse zu schließen. Akustisch großes Kino. Und wie immer bei Rival Consoles: Erschienen auf Erased Tapes.
μ-ZIQ – Challenge Me Foolish
Thaddeus: Mike Paradinas ist jemand, der sich in seiner langen Karriere immer wieder neu erfunden hat und sich dabei auf subtile Art und Weise doch treu geblieben ist. Er war zunächst zur richtigen Zeit am genau richtigen Ort. Seine beiden ersten Alben „Tango N' Vectif" und „Bluff Limbo“ definierten nicht nur den britischen Electronica-Sound mit, sondern auch den des Labels Rephlex, dem Imprint von Aphex Twin und Grant Wilson-Claridge. All das ist lange her, aber beide Alben strahlen heute noch immer. Die Tracks kann man noch immer mitsummen und beatboxen. Was mich angeht, hörte das bei seinen späteren Platten irgendwann auf. Voller Respekt – für immer –, aber sinkendes Interesse. So bin ich mir auch ziemlich sicher, sein Album „Royal Astronomy“ von 1999 nie gehört zu haben. Sollte dennoch jemand meine Review der Platte finden, kann ich mich nur entschuldigen. „Challenge Me Foolish“ versammelt Tracks, die in genau dieser Zeit entstanden sind: Ende der 1990er-Jahre. Alles sehr all over the place. Die sweetesten Melodien, die unverschämteste Verzerrung, die am krassesten gecutteten Hochgeschwindigkeits-Break: eben Paradinas-typische deepe Muzak. Und zwischen Preset-Barock, unkontrolliert ausbrechenden Brüchen, wundervollen Momenten schimmert immer wieder genau die Ästhetik durch, die seine ersten beiden Alben so einzigartig gemacht und die Paradinas zum Zeitpunkt der Produktion wahrscheinlich schon nicht mehr interessiert hat. Auch immer wieder: Kazumi, die wundervolle Kazumi mit ihrer noch wundervolleren Stimme. Als „Album Album“ geht das hier nur schwerlich durch. Nehmen wir „Challenge Me Foolish“ lieber als gelungene Compilation, die uns an eine Zeit erinnert, die heute – wenn auch nur verwässert – immer noch Bedeutung hat.