Wie mit fünf im SpielzeugladenIm Studio mit Fred P
14.11.2014 • Sounds – Interview: Ji-Hun Kim, Thaddeus Herrmann, Fotos: Benedikt BentlerDie erste News: Der New Yorker House-Produzent Fred P nimmt gerade ein neues Album auf. Die zweite News: Es entsteht zum Teil in einem neuen Berliner Studio, randvoll mit analogen Synthesizern. Die dritte News: Das Filter hat ihn einen Nachmittag dort besucht.
Wenn Künstler in Studios Alben aufnehmen, ist das zumeist ein Moment, an dem man als Schreiber nicht teilhaben darf. Vor allem, wenn alles noch so nicht spruchreif ist, wie bei Fred P, der vielen auch als Black Jazz Consortium bekannt sein dürfte und seit einigen Jahren neben Levon Vincent, DJ Qu und Jus Ed zur Speerspitze der New Yorker Deep-House-Szene zählt. Diesmal ist aber alles ein bisschen anders. Erstmal nimmt Fred P Tracks nicht nur in seinem Homestudio in den USA auf. Das analoge Synthesizer-Studio Handwerk Audio in Berlin-Kreuzberg ist diesmal ein wichtiger Ort, an dem er an Sounds für seine Tracks bastelt. Das Studio bietet einen neuartigen wie interessanten Service für elektronische Produzenten an. Ein üppiger Park mit zahlreichen Synthesizern und Drummachines, die jedem Elektronik-Produzenten erstmal weiche Knie bescheren. Aber anders als in klassischen Studios, kann der Producer hier mit fertigen Tracks ankommen, seine Spuren beispielsweise via MIDI durch analoge Klanggeneratoren schicken und sich - wie im Falle Fred P - wie ein Fünfjähriger im Spielzeugladen fühlen. Wir haben nachgefragt.
Wie fing es damals bei dir mit der Musik an?
In den 80ern fing ich an, mit Kassetten zu experimentieren. Ich hatte verschiedene Tapedecks, später wurden daraus eine Art Multikassettenaufnahmen. Ich habe verschiedene Sounds übereinander geschichtet und geschaut, was dabei rauskommt. Mit 15 kam ich zum ersten Mal in ein Studio. Ein Freund von mir schleppte mich mit. Als ich dort das Mischpult und anderes Equipment in Aktion sah, wollte ich ich mehr darüber erfahren.
Und wann kamst du zur Clubmusik?
Natürlich während der Highschool-Zeit. Meine Freunde und ich gingen in Clubs und verbrachten viel Zeit dort. Platten kaufen und sammeln fing erst später bei mir an. Ursprünglich habe ich Mixtapes gemacht, habe dann versucht, einzelne Parts zu editieren, habe mit einem Mikrofon Sachen drüber gesprochen usw. Eins hat zum andern geführt. Mit meinem Cousin startete ich ein erstes gemeinsames Projekt. Musikproduktion und Beats basteln waren dann nur noch die logische Konsequenz.
Welche Clubs hast du zu der Zeit besucht?
Die Sound Factory in Manhattan, The Tunnel, Red Zone. Die meiste Zeit habe ich in der Sound Factory verbracht. Freitags war bis 11 freier Eintritt. Da war ich fast immer da.
Seit einigen Jahren gibt es um Producer wie dich, Levon Vincent oder auch Jus Ed und House-Musik aus New York im Allgemeinen einen regelrechten Hype. International ist die Resonanz groß. Wie hast du die Entwicklung gesehen?
Ich habe es eigentlich nie aus dieser Perspektive gesehen. Erst als Jus Ed mit mir vor einigen Jahren zusammenarbeiten wollte, habe ich Künstler wie DJ Qu oder auch Levon Vincent überhaupt kennengelernt. Wir haben aber alle einen Background, der uns gewissermaßen verbindet, was auch der Grund dafür sein mag, dass unsere Musik so klingt wie sie klingt. Ich bin nie davon ausgegangen, dass es so groß wird. Ich bin noch immer überrascht. Mir geht es eigentlich nur darum, meine Musik auf einer Schallplatte hören zu können.
Das ist das Wichtigste?
Ja, ich mag das. Wie für alle, die in den 70ern geboren wurden, gab es entweder Tapes oder Alben. Ich war damals schon von Artworks enorm angetan. Mein Ziel war es, im Leben eine Platte zu machen. Jetzt sind es schon mehr. Es ist eine großartige Sache und noch immer inspirierend.
„Mein musikalischer Ansatz? Ich muss es fühlen.“
Man könnte sagen: Dein Sound ist einzigartig. Man empfindet ein ganz spezielles Gefühl, es klingt oldschool. Anders als die kristallklaren, überproduzierten Tracks aus den Beatport-Charts. Bei dir hört man die Wurzeln von Techno und House, aber gleichzeitig klingt es nicht nach Klischees und ist immer im Jetzt verankert und modern. Spielen solche Kategorien eine Rolle bei dir?
Ich verstehe, was ihr meint, aber interessanterweise spielt es überhaupt keine Rolle. Wie schon erwähnt: Meine Zeit in Clubs wie Sound Factory war wichtig für mich. Das war zu der Zeit ein ganz besonderer Ort. Aber auch meine Familie ist ein wichtiger Einfluss. Wir haben uns oft im größeren Kreis getroffen, gemeinsam gegessen und danach Schallplatten aufgelegt. Dann wurde erstmal mit allen bis in die späte Nacht getanzt. Diese Gefühle aus der Zeit beschäftigen mich noch immer. Die Sound Factory gibt es ja leider nicht mehr. Aber diese Vibes, diese Erinnerungen versuche ich durchaus am Leben zu halten.
Gibt es irgendwo in der Welt einen Club, der dieses Gefühl deiner Meinung nach noch hat?
Überall wo ich heute spiele, ist eine Sound Factory (lacht). Manchmal funktioniert es großartig, manchmal ist es eine Herausforderung. Die Mühe lohnt sich aber, denn wenn es klappt, ist es magisch. Auch wenn es den Ort nicht mehr gibt, der Vibe existiert noch.
Wie wichtig sind Maschinen für deine Musik?
Als ich mit Musik machen anfing, hatte ich einen Korg TR Synthesizer, einen AKAI S2000-Sampler und Cubase. Die ersten zehn Platten habe ich mit diesem Equipment produziert. Als es aber mit dem Reisen losging, habe ich die Arbeit immer mehr auf den Laptop fokussieren müssen. So gut wie alles musste ich neu lernen. Aber wenn ich nun in einem Raum wie diesem bin: Mann! Das ist ein Traum, der wahr wird. Alleine all diese Maschinen hier anfassen zu können und auszuprobieren. Ich lerne sehr viel neu. Die Texturen, das Gefühl, aber auch die Unvorhersehbarkeit von analoger Technik. Wenn Sachen spontan passieren. Das ist echt cool.
Wie bist du zu Handwerk Audio gekommen?
Zufall. Es war auf einem Flughafen, vielleicht Tel Aviv, und ich traf dort Peter von Hoesen. Wir fingen an, über mein nächstes Album zu sprechen und Peter erzählte mir von diesem Studio, das gerade entstand. Ich dachte nur: Das ist genau das, was ich brauche. Es war wie die sprichwörtliche Glühbirne, die über dem Kopf angesprungen ist. Und, es ist sogar besser als ich erwartet habe. Die Möglichkeiten mit so einer Infrastruktur sind unbegrenzt. Die Idee, die ich ursprünglich hatte, ist jetzt schon größer und vielfältiger. Es fällt mir schwer in Worte zu fassen, was ich hier gerade mache. Ich jamme viel und es fühlt sich sehr gut an. Wenn ich den Rest meines Lebens hier verbringen müsste, ich würde nicht nein sagen.
Welche Geräte haben dich besonders beeindruckt?
Der Jupiter 8 ist mein Liebling. Es ist eine wunderschöne, beeindruckende Maschine. Aber auch einige ältere Geräte hier, von denen ich nicht wusste, wie gut die klingen. Der Moog Voyager ist auch eine ernstzunehmende Maschine.
Du samplest dich also hier durch die Synthesizer und nimmst die Sounds mit nach Hause.
So kann man es auch sehen. Es fühlt sich wie in einem Spielzeugladen an, und ich bin wieder fünf. Ich weiß, dass alles, was ich hier aufnehme, Verwendung auf dem Album finden wird.
Erzähl uns was über das Album, an dem du arbeitest.
Ich wünschte, es wäre einfacher zu beschreiben, aber es ändert sich andauernd. Im Prinzip möchte ich akustische und synthetische Sounds so zusammenbringen, dass sie tanzbar sind und dennoch ein interessantes Hörerlebnis schaffen. Momentan nehme ich die elektronischen Sounds auf, werde sie danach arrangieren und dann möchte ich anfangen, akustische Instrumente aufzunehmen. Bei den meisten der Songs habe ich bereits konkrete Ideen. Ich finde es wichtig, ein gutes Gerüst zu haben. Auch im Bewusstsein, Musik für den Club und für DJs zu schreiben und dann hier den wunderschönen Zuckerguss herzustellen.
„Es tut so gut, aus den eigenen vier Wänden herauszukommen. Andere Umgebungen produzieren andere Ideen.“
Was meinst du genau, wenn du sagst, du möchtest mit akustischen Instrumenten arbeiten?
Ich arbeite mit einem Kontrabassisten zusammen. Pianos wird es genauso geben wie Gitarren. Einige, aber nicht viele Vocals. Aber ehrlich, so weit habe ich noch gar nicht gedacht. Ist also alles noch in der Konzeptphase (lacht). Es wird aber gut, versprochen.
Es klingt erfrischend, wenn du sagst, dass die Songs dennoch einen Fokus auf DJs und Clubs haben sollen. Viele elektronische Künstler fangen bei ihren Alben an, „vielseitig“ zu werden. Hier zwei Downtempo-Stücke, da ein Intro, häufig werden die Tracks kürzer. Du hältst aber an der Funktionalität der Tracks fest?
Auf jeden Fall! Ich meine, man kann es so machen, und es haben schon viele vor mir gemacht. Die Idee ist ja nicht neu. Aber ich muss es für mich ausprobieren. Wie das wird, was dabei herauskommt, meine persönliche Sicht. Wir werden sehen. Ich spiele sehr viel und wenn ich bei Dance-Produktionen Highlights finde, die auch im Club gut funktionieren, sind es oft auch gute Songs. Es handelt sich um keinen Widerspruch, beide Facetten zusammen zu denken. Ich sehe das als Herausforderung.
Klischee: House-Producer schmoren in ihren Schlafzimmerstudios so lange bis Tracks fertig sind und die kommen dann raus. Hier wirkt es ein bisschen wie bei klassischen Bands, die sich in Studios wie dem Abbey Road einmieten, um von der Technik zu profitieren. Wie siehst du das?
Ich verstehe deinen Punkt. Aber hey, es tut so gut, die eigenen vier Wände zu verlassen. Ich liebe es, ehrlich. Abgesehen davon, dass ich hier mit Instrumenten arbeiten kann, mit denen ich schon immer was machen wollte. Aber andere Umgebungen schaffen auch andere Ideen. Ich hatte bislang keine andere Wahl, als in meinem Homestudio zu arbeiten. Ich sehe solche Möglichkeiten daher als Bereicherung an. Sich mit einer anderen Umgebung auseinanderzusetzen, kann viel Kreatives freisetzen.
Das Album, an dem Fred P in Berlin gearbeitet hat, soll 2015 erscheinen. Eine Übersicht zum Equipment des Handwerk Audio Studios gibt es hier.